Neue Gefahr für Steuersünder – Gruppenanfragen statt CD-Ankäufen
Die Neuregelungen des OECD-Musterabkommens erweitern die Möglichkeit des Fiskus, unversteuerte Kapitalerträge bei ausländischen Banken aufzuspüren. Die Gefahr für Steuersünder ist größer als je zuvor.
Der Paukenschlag, der den massenhaften Ankauf von Steuersünder-CDs durch die Finanzämter begleitete, ist noch nicht verhallt, da droht Steuersündern bereits die nächste Gefahr. Wie der Regensburger Rechtsanwalt Jörg Meyer von BLTS Rechtsanwälte Fachanwälte erläutert, verändert sich derzeit die Rechtsauffassung der OECD-Mitgliedstaaten zu sogenannten Gruppenanfragen. Hintergrund ist, dass alle OECD-Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, die Schweiz und andere als Steueroasen bekannte Länder, untereinander Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen haben. Diese dienen zwar vorrangig der Verteilung des Steueraufkommens zwischen diesen Staaten, wenn ein Staatsbürger in beiden Staaten Einkommen erzielt oder seinen Wohnsitz nimmt. Darüber hinaus regeln diese Abkommen aber auch, unter welchen Voraussetzungen die Staaten einander Hilfe in Steuersachen zu leisten haben. Die meisten Doppelbesteuerungsabkommen sind dabei nach dem sogenannten Musterabkommen gestaltet, welches die OECD-Mitgliedstaaten bereitstellt.
Rechtsanwalt Meyer: „Bereits seit einem Jahr gehören nach Auffassung der OECD Gruppenanfragen zum Standard. Diese Standards müssen die OECD-Mitgliedstaaten beachten, wenn über Amtshilfeabkommen verhandelt wird. Diese Gruppenanfragen umfassen insbesondere auch Steuerpflichtige, deren Person der Auskunft fordernde Staat zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht kennt.“ Jetzt schon ist klar, dass diese Gruppenanfragen auch explizit verwendet werden dürfen, um Steuerhinterziehung zu bekämpfen. D. h., dass die Ergebnisse einer solchen Gruppenanfrage geradewegs an die Steuerfahndung gehen. Rechtsanwalt Meyer: „Es gibt hier zwar formale Grenzen, die zu beachten sind. Insbesondere sind sogenannte „Fishing expeditions“ unzulässig, bei denen also ohne konkrete Anhaltspunkte Daten über beliebige Personen abgefragt werden. Liegen aber im Heimatstaat, also in Deutschland, bereits hinreichende Verdachtsmomente vor, ist der betroffene Staat zur Auskunft verpflichtet.“
Dieser Wandel in der Rechtsansicht ist deswegen wichtig, weil insbesondere die Schweiz nach ihrer bisherigen Praxis Auskunft nur in Fällen erteilt hatte, in denen ein Steuerbetrug vorlag. Dieser unterscheidet sich von der Steuerhinterziehung durch die arglistige Täuschung der Finanzbehörden, während nach deutscher Auffassung für eine Steuerhinterziehung bereits unvollständige Angaben ausreichen. Es ist zu erwarten, dass diese bisherige Spruchpraxis der Schweizer Gerichte, die zahlreiche deutsche Steuerpflichtige vor weiteren Nachfragen bewahrt hat, in absehbarer Zeit fällt. Dann müssten Schweizer Banken auf Anfrage der Bundesrepublik auch Auskunft über Kontoinhaber erteilen, die bestimmte Kriterien erfüllen. Welche dies sind, hängt im Wesentlichen davon ab, worauf die Bundesrepublik Deutschland ihr Auskunftsersuchen stützt.
Steueranwalt Meyer von BLTS: „Völlig unklar ist derzeit noch, wie die zeitliche Begrenzung dieser Gruppenanfragen aussieht. Zwar gibt es bestimmte Übergangsbestimmungen, so dass an sich nur Sachverhalte erfasst werden, die nach dem 01.01.2011 entstanden sind. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass als Ergebnis einer solchen Gruppenanfrage dann auch Erkenntnisse über Steuerstraftaten vorliegen können, die vor diesem Datum stattgefunden haben. An die erste Gruppenanfrage können sich dann Auskunftsersuchen in Steuerstrafsachen anschließen. Es sollte daher niemand glauben, dass durch dieses Instrument nur die Steuerhinterziehungen der jüngeren Vergangenheit erfasst wären.“ Dann hilft meistens nur noch die Selbstanzeige.
Zusammengefasst wird daher auch in Zukunft die Ausgangslage für Steuerpflichtige mit verschwiegenen Zinseinkünften im Ausland nicht verbessern, sondern weiter verschlechtern. In den meisten Fällen ist und bleibt die steuerliche Selbstanzeige die einzige Möglichkeit, mit überschaubaren Kosten und vor allem ohne strafrechtliche Folgen aus dem Schlamassel herauszukommen.
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Rechtsanwalt Jörg Meyer ist Strafverteidiger und leitet die Abteilung Steuerstrafrecht bei BLTS Rechtsanwälte Fachanwälte. BLTS ist eine auf Wirtschaftsrecht spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei mit Hauptsitz in Regensburg. Die Kanzlei bearbeitet mit derzeit zwölf Rechtsanwälten Mandate in allen Bereichen des Unternehmensrechts. Durch die rechtsgebietsübergreifende Zusammenarbeit werden optimale Branchenlösungen erarbeitet. Der zunehmenden Belastung des Mittelstandes durch Regelungswut wirkt die Kanzlei durch präventive Maßnahmen und Compliance-Management entgegen. Speziell im Steuerstrafrecht bearbeitet die Kanzlei derzeit mehrere Hundert Selbstanzeigen von Kunden österreichischer, schweizer und luxemburger Banken.
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