Innovations-Strategien: Wenn Traditionsunternehmen sich neu erfinden müssen
Deutsche Unternehmen leiden zunehmend an Innovationsstau – das belegen aktuelle Zahlen. Warum tappen sie immer wieder in die Innovationsfalle, und wie können sie innovativer werden?
,Einhörner‘, ,weiße Haie‘, ,Schwertfische‘ und ,Piranhas‘ sind für die allermeisten CEOs europäischer Traditionsunternehmen (Fabel-) Tiere – wenn sie nicht bereits in die Welt der Digital Economy aufgebrochen sind. In dieser Welt nämlich sind die genannten Fische auch die Konzeptnamen für unterschiedliche, digitale Geschäfts-modelle, und ,Einhörner‘ sind Start-Ups mit mehr als einer Milliarde US-Dollar Marktkapitalisierung.
Von solchen ,Einhörnern‘ gibt es weltweit laut einer aktuellen Studie von Statista 178. Nur 4 davon sind deutsche Unternehmen, 99 kommen aus den USA. Aber bedeutet dieser Unterschied wirklich eine bedrohliche Herausforderung, oder sind die Amerikaner alle auf dem digitalen Holzweg? Sind ,Digitalisierung‘ und ,Industrie 4.0′ – demnächst vermutlich ,5.0′ und ,6.0′ – einfach nur inflationär verwendete Modebegriffe?
Vordergründig steht es gut für die deutsche Industrie: Beschäftigung, Umsatz und Profitabilität der meisten Unternehmen in Deutschland sind in den letzten Jahren gewachsen, und auch der kurzfristige Ausblick ist positiv. Das scheint die Skeptiker der Start-Up-Mania zu bestätigen, die in der traditionell starken deutschen Wirtschaft die hiesige Version des amerikanischen Einhorns erkennen. Um im Tiervergleich zu bleiben: Wenn das Einhorn die Innovationsstrategie des Silicon Valley symbolisiert, dann ist es die Hauskatze für das typisch deutsche Traditionsunternehmen. Das Einhorn ist ein Mythos, keiner hat je eins gesehen – aus Sicht vieler Traditionalisten ein sprichwörtliches Wolkenkuckucksheim. Die Hauskatze dagegen ist bodenständig, erfolgreich, bewährt. Vielen Traditionsunternehmen ist die greifbare Realität eben lieber als die fiktive Vision. Was 50 Jahre richtig war, kann ja nicht plötzlich falsch sein. Oder etwa doch?
Hochmut kommt vor dem Fall, das wusste schon Salomon im Alten Testament. Denn selbst die Traditionalisten bekommen langsam Bauchgrimmen : Die fabelhaften Gewinne und Kursexplosionen von Apple oder Google sind real – äußerst lebendige Einhörner sozusagen, und die Margen traditioneller Geschäftsmodelle geraten immer mehr unter Druck. Teslas Model S ist das meistzugelassene Oberklasseauto in den USA, das Model 3 als elektrisches Mittelklasseauto hat über 300.000 Vorbestellungen. Die Grenzwerte für Stickoxide sind mit Diesel absehbar technisch nicht mehr erreichbar und es drohen Diesel-Fahrverbote, die Kohlendioxid-Flottengrenzwerte ab 2021 sind dagegen ohne Diesel kaum noch einzuhalten. Die Sackgasse wird erkennbar, denn die deutsche Autoindustrie hat keine echten Alternativen aufgebaut. Wo bleibt der so legendäre Erfindergeist der hiesigen Wirtschaft? Das Land der Ideen scheint zum Land der Lobbyisten mutiert.
Kostenfrei produzierte Wind- und Solarenergie zerstört die Ertragsbasis traditioneller Kraftwerke. Filialbanken, Zeitungsverlage, Buchhändler schließen. Fast alle Gebrauchsgeräte werden vernetzt und mit Software bestückt, und nahezu keiner dieser Dienste kommt von deutschen Unternehmen. Da braut sich etwas zusammen, das hat auch der letzte Traditionsbetrieb inzwischen verstanden.
Aber was genau braut sich zusammen? Wo liegen die Ursachen und – noch viel wichtiger – was ist die richtige Strategie in eine auch langfristig erfolgreiche Zukunft?
Dreh- und Angelpunkt des Umbruchs und zugleich des Lösungsweges ist die Innovations-Strategie.
Das klassische Management denkt dabei in linearen Investitions-Profitabilitäten mit dem Standard-Indikator ROI (Return on Invest) und einem Zeithorizont von 5-10 Jahren. So lange nämlich ist auch das Mandat der meisten CEOs und Geschäftsführer geregelt. Investitionen in ferne Erfolge danach werden ungern bewilligt, auch weil die Entscheider dann oft keine Erfolgsbeteiligung mehr haben.
Digitale Geschäftsmodelle jedoch funktionieren anders. Sie versuchen, das Gesetz des exponentiellen Wachstums aus der digitalen Welt in die Geschäftswelt zu übertragen.
Die Grundidee ist dabei folgende: Intel-Mitbegründer Gordon Moore formulierte 1965 das später nach ihm benannte „Mooresche Gesetz“. Danach verdoppelt sich die Leistung digitaler Technologien etwa alle 12 Monate bei gleichbleibenden Kosten. Das Mooresche Gesetz trifft seit einigen Jahrzehnten empirisch zu. So hat ein heutiges Smartphone für 500 Dollar die Rechenleistung eines Supercomputers der 90er Jahre, der noch 50 Millionen Dollar gekostet hat. Dieses exponentielle Wachstum lässt sich immer dort auf die Geschäftswelt übertragen, wo Geschäftsprozesse digitalisiert werden können, so die Maxime der digitalen Start-Up-Pioniere. Solche Unternehmen haben dann „digitale Geschäftsmodelle“. Es gilt durch zahlreiche Fallbeispiele inzwischen als bewiesen, wie z.B. bei Amazon oder Apple, dass das tatsächlich funktionieren kann.
Die Konsequenzen sind tückisch für traditionelle Unternehmen: Die mittel- und langfristige Zukunft wird für kurzfristige Erfolge verkauft. In einer Perspektive von bis zu 10 Jahren wirken Investitionen in exponentielle Innovations-Strategien unattraktiv, weil die Investitionsrentabilität niedrig und meist sogar negativ ist. Da wirken kurzfristig rentable Investitionen in lineare (und daher klassische) Innovations-Strategien attraktiver. Zum Beispiel wirkt die stufenweise Verbesserung der Abgaswerte eines sofort vermarktbaren Dieselmotors für kurzfristig denkendes Management attraktiver als die Entwicklung eines Elektromotors, der vielleicht erst in 20 Jahren verkäuflich ist und für den es heute noch gar keine ausreichend guten Batterien gibt.
Ein einfaches Gedankenexperiment dazu: Zwei Laufroboter machen ein Wettrennen über 10 Schritte. Der erste Laufroboter ist klassisch konstruiert und kann mit jedem Schritt 1 Meter zurücklegen. Der zweite Roboter kann mit dem ersten Schritt nur 1 cm zurücklegen, lernt aber ständig dazu und kann mit jedem weiteren Schritt seine Schrittlänge verdoppeln. Welcher Roboter gewinnt das Rennen?
Antwort: Der zweite Roboter gewinnt am Ende. Bis Schritt 9 führt der erste Roboter mit großem Abstand von fast 4 Metern, und doch wird er bei Schritt 10 überholt. Denn der letzte Schritt des zweiten Roboters überbrückt 5,12 Meter. Von da an hat der erste Roboter keine Chance mehr. Rechnen Sie es nach!
Dieses fiktive Bild ist lehrreich. Es zeigt: Bis kurz vor dem Ziel merkt der erste Roboter überhaupt nicht, dass er in Gefahr ist, das Rennen zu verlieren. Erst als es bereits zu spät ist, wird das Ausmaß des Unterschieds sichtbar.
So ist es auch heute in der Wirtschaft: Manche Traditionsunternehmen erkennen die Gefahr erst
in dem Augenblick, in dem ihre gesamte Branche bereits untergeht. So war es bei den klassischen Katalog-Versandhändlern, bei der chemischen Fotografie oder bei den nicht-smarten Mobiltelefonen.
Noch 2007 – im Erscheinungsjahr des iPhones – hat es Ex-Microsoft-CEO Steve Ballmer so formuliert: „Das iPhone hat keine Chance, jemals einen signifikanten Marktanteil zu erreichen.“
Heute, nur 10 Jahre später, hat Apple eine Marktkapitalisierung von über 800 Milliarden Euro, und das iPhone hat einen Umsatzanteil von fast 70%. Zugleich hat Googles Android soeben Microsoft Windows als weltweit führendes Betriebssystem überholt.
Für viele Traditionsunternehmen entscheidend ist daher die Frage: Wie kann diese Gefahr gebannt werden? Ist es möglich, auch bei Schritt 8 oder 9 des obigen Gedankenexperiments noch durchzustarten und das Rennen noch zu gewinnen?
Die erfreuliche Antwort ist: Ja.
Dafür ist allerdings mehr notwendig als die Erkenntnis, dass es Zeit zum Handeln ist. Drei Entscheidungen muss ein Traditionsunternehmen treffen, um in einer Welt der exponentiellen Innovations-Strategien erfolgreich zu sein:
1. Entscheidung: die Bereitschaft zu haben, sich selbst und das bisherige Geschäftsmodell umzukrempeln, und sich dabei auch von bewährten Traditionen oder vermeintlichen Kernkompetenzen zu verabschieden.
2. Entscheidung: Investitionsmittel bereitzustellen für Innovationen, die in absehbarer Zeit keine gewohnten Rentabilitäten erreichen werden, aber digitalisierbar sind und somit durch das Mooresche Gesetz exponentielles Wachstum ermöglichen.
3. Entscheidung: externe Profis zu beteiligen, die außerhalb des bisherigen (Branchen-) Horizontes denken, die richtigen Fragen stellen und die Entwicklung moderieren können.
Mit allen drei Entscheidungen tun sich Traditionsunternehmen oft schwer.
Die erste Entscheidung heißt, gewohnte Stärken, Patente, Kompetenzen, Marktpositionen, Kundenbeziehungen zur Disposition zu stellen und sich auf unbekanntes Terrain zu wagen. Eine lange Erfolgsgeschichte ist da schon kulturell eine Hürde.
Die zweite Entscheidung heißt, bewährte kaufmännische Grundsätze über Bord zu werfen und neue Risiken zu wagen, zudem kurz- und mittelfristig Gewinne zu re-investieren.
Die dritte Entscheidung heißt, externen Rat anzunehmen und die Vorstellung zu ertragen, dass eigenes Spezialwissen in der Branche nicht hilft und sogar oft behindert.
Um die drei notwendigen Entscheidungen zu treffen, müssen sich Traditionsunternehmen also neu erfinden, sozusagen ihre DNA reparieren. Dazu sind viele vor dem zerstörerischen zehnten Schritt nicht bereit. Danach ist es jedoch zu spät, die Chance ist vertan.
Aber auch dann, wenn die drei Entscheidungen rechtzeitig getroffen werden, gibt es keine Garantie für den langfristigen Erfolg. Das haben unternehmerische Entscheidungen aber immer an sich, und Mut zu Veränderungen war einst die große Stärke der Gründerväter.
Es sollte wieder Tradition werden, sich auf diese alte Stärke zu besinnen.
Ein vertiefendes Interview zum Artikel mit dem Innovationsexperten, Strategieberater und Bestsellerautor Ingmar P. Brunken findet sich auf www.brunken-consulting.com.
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