Die Ukraine als attraktiver Standort für europäische Unternehmen

Die Ukraine entwickelt sich zu einem Markt mit Perspektiven. Die neuesten Verhandlungen mit der EU weisen den Weg in eine stabile wirtschaftliche Zukunft.

BildNach China, Indonesien und Südkorea sieht sich die Ukraine als neuer aufstrebender Markt für westeuropäische Investoren. Und besitzt einen ganz eigenen Reiz: Gut ausgebildete, vor allem technisch begabte Arbeitskräfte mit niedrigem bis mittlerem Lohnniveau.

Vertreter der staatlichen Agentur InvestUkraine, welche im November in Vilnius („Gipfel der östlichen Partnerschaft“) über die Zukunft der Ukraine in Zusammenhang mit der EU diskutieren und verhandeln, sehen lediglich eine einzige Hürde: Informationsmangel. Mit Unterzeichnung des im Raum stehenden Freihandelsabkommens mit der EU würden völlig neue Verhältnisse geschaffen – welche umfassend und vor allem kurzfristig kommuniziert werden müssen.

Als Beispiel für einen aufstrebenden und wachstumsstabilen Sektor der ukrainischen Wirtschaft sei das IT-Outsourcing genannt. Mit dem staatlich geförderten Projekt ,Technopolis‘ werden mittelfristig mehr als 35.000 IT-Experten aus aller Welt ins Land geholt – zusätzlich zu den bereits über 200.000 einheimischen Fachkräften. Bereits jetzt lassen hunderte Unternehmen wichtige Projekte in der Ukraine entwerfen, programmieren und optimieren, vom Mittelstand bis hin zu internationalen Konzernen. Der Trend der Auftragsentwicklung ist durchweg positiv.
Dass sowohl die Ukraine als auch Europa als Ganzes von einer engeren Zusammenarbeit profitieren werden, gilt als sicher. Der erste Anlauf ist dies jedoch nicht: Bereits Anfang der 2000er Jahre befand sich das Land in Aufbruchsstimmung – blieb jedoch weit hinter den Erwartungen zurück. Der damalige Präsident Juschtschenko und dessen Administration konnte das Potenzial des ,Tigers des Ostens‘ nicht erschließen. Schuld daran war eine schwammige Haltung der Regierung, in welche Richtung sich das Land orientieren soll: Russland oder EU. Eine klare Annährung oder gar Absichtserklärungen gab es nicht.

Nun scheint es Präsident Janukowitsch – ideologischer Rivale und Nachfolger Juschtschenkos – zu gelingen, eindeutig Position zu beziehen. Und das obgleich des massiven Drucks seitens der Russischen Föderation. Er will sein Land auf einen stabilen Wachstumskurs bringen, gleich dem Polens oder Ungarns. Das dies nicht einfach wird, ist allen Beteiligten bewusst – und man ist bereits, hart an sich zu arbeiten um die strengen Vorgaben seitens der EU zu erfüllen und das sozialistische Erbe vollkommen zu überwinden.

Der langanhaltende Trend der Unternehmen, die Produktion nach China zu verlagern, flacht ab aufgrund äußerst publikumswirksamer, negativer Presseberichterstattung. Die Firmen denken also um, und sind auf der Suche nach neuen Standorten. Die Ukraine als EU-nahe Nation würde sich hier definitiv als Option anbieten. Die positiven Faktoren und Perspektiven der Ukraine aufgrund der Annäherung an den europäischen Wirtschaftsraum wiegen fast alle Argumente für eine Produktionsverlagerung in die ärmeren asiatischen Nationen oder gar Afrika vollständig auf.
Nüchtern kostentechnisch betrachtet liegt der Durchschnittsverdienst einer Fachkraft in der Ukraine auf niedrigem Niveau: 300 Euro monatlich; exzellent ausgebildete Techniker & Ingenieure in den Ballungszentren kommen auf etwa 700 bis 1.000 Euro monatlich. Im Vergleich mit Westeuropa sind dies Billiglöhne – allerdings bei hohem Bildungsniveau. Addiert man die Bevölkerungszahl der Ukraine – 46 Millionen Menschen – hinzu, erhält man im Ergebnis einen riesigen Markt vergleichsweise gut ausgebildeter Arbeitskräfte in direkter Nähe zu Europa, welcher noch immer unter den Folgen ehemaliger Misswirtschaft und ökonomischer Fehlentscheidungen leidet. Ein massiver Teil täglich benötigter Konsumgüter wie auch Maschinen und Anlagen wird teuer aus dem Ausland importiert. Substitution macht hier wirtschaftlich sehr viel Sinn und bietet große Chancen auf beiden Seiten des Verhandlungstisches.

Nicht zuletzt sei auch die Mentalität angesprochen. Es fällt Unternehmen teilweise sehr schwer, sich auf die Gedankengänge asiatischer oder afrikanischer Geschäftspartner einzulassen, ganz zu schweigen von den Befindlichkeiten der Belegschaft. Auch hier kann die Ukraine punkten: Eine größtenteils europäische Arbeitsmoral und Qualitätsvorstellung macht es Investoren sehr einfach, sich mit dem Standort anzufreunden.

Die ukrainische Bevölkerung pflegte einstmals eine gewisse Wanderarbeiter-Tradition: Die jungen Arbeitskräfte gingen nach ihrer ersten Ausbildung ins europäische Ausland, um dort besser zu verdienen und um Erfahrungen zu sammeln. Nach einer gewissen Zeit kehrten diese jedoch zurück, teilten ihre Erfahrungen und Erkenntnisse mit Kollegen, der Familie und Freunden – quasi eine indirekte Weiterbildung. Dann kam das Internet (die Ukraine ist derzeit fast vollständig erschlossen). Was einst ein Abenteuer bedeutete und einen gewissen Mut zur Veränderung forderte, liegt heute nur wenige Mouseklicks entfernt. Und es wird genutzt: Junge Erwachsene sind ebenso wie in Europa fast ausschließlich mit Smartphones und Laptops ausgerüstet, arbeiten überall und zu jeder Zeit. Wo Technik verfügbar ist, wird diese auch genutzt. Für die Arbeit, für die Freizeit, zur Befriedigung der eigenen Neugierde. Auch hier hat die Ukraine längst mit Europa gleichgezogen.

Die Gemeinsamkeiten der Ukraine mit ihren westlichen Nachbarn sind gravierend – die Unterschiede schwinden schneller und schneller dahin. Unaufhaltsam steuert die Ukraine einer wirtschaftlichen Hochphase entgegen – und belohnt die Unternehmen, welche bereits sind, sich auf dem dortigen Markt zu etablieren und die Zukunft des Landes mitgestalten wollen. Ihnen wird jede Gelegenheit geboten.

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